Letzte Worte
von Karl Vitalij Karamasow
23. Juni 2016
"Fare thee well, and if for ever, / Then for ever, fare thee well!"
["Lebe wohl, und wenn für immer, / Dann für immer, lebe wohl!"]
(Lord Byron, Abschiedsgedicht an seine Gattin, 17. März 1816)
Wie man sich täuschen kann. Da will man EIN MAL auf den Tisch hauen, EIN MAL den anderen die Tür krachend vor der Nase oder besser: hinter dem aus dem Haus gestoßenen Rücken zuschlagen, so wie es damals diese aufmüpfigen Kolonisten im amerikanischen Westindien getan haben, von den vermaledeiten Ostindern zu schweigen und dem ganzen undankbaren Rest des ehemals so prächtigen Empire, dem man erst mühsam die einzig wahre Zivilisation zum Geschenk gemacht hat, in Form von festen Teezeiten und Gurkenbroten, und die einen jetzt nicht mal mehr im Cricket gewinnen lassen. Ein Mal Nein sagen zu deutschen Autos, französischem Käse, spanischem Fußball, zu Migranten, Globalisierung, republikanischen Umtrieben. Den Tunnel dichtmachen für Schwarzafrikaner, Pickelhauben und die katholische Reaktion, die da natürlich pausenlos hineindrängen. Wieder unter sich sein im lauschigen Ascot, den kleinen Finger von der Teetasse abspreizen, wie es kein Fremder kann, und erlesene Komplimente für die gewagtesten Hüte zelebrieren, gemeinsam Rule Britannia singen und am Abend ins ungeheizte, feuchte Landhaus heimkehren, wo alles noch ist, wie damals unter der seligen Victoria.
Soweit die Sehnsucht nach dem unbeschwerten Reich einer nie existenten Kindheit. Bekommen wird man, es tut mir leid, so protestantisch nüchtern zu sein, rein gar nichts davon. Kein kleiner Widerschein des alten Glanzes wird auf idyllische Dörfer fallen, aus denen die Fremden verschwunden sind, und in welchem die Bauern wieder die Heimaterde pflügen, anstatt von Subventionen zu leben, und winters am Torffeuer Strümpfe stricken, ohne Angst vor chinesischer Konkurrenz. Und mit etwas Glück fristet das Vereinigte Königreich von England und Wales nach der Krönung von König Boris I. sein Dasein als Steueroase und putziges Fotomotiv. Und der tragische Held David C. könnte am Ende als unfreiwilliger Zerstörer zweier (Welt-)Reiche in die Geschichte eingehen.
Zugestanden, die Union ist ein undemokratischer Krämerverein, ein Interessenverband der Großindustrie und ein intransparentes Verwaltungsmonstrum. Aber sie ist auch, und entschuldigen Sie, wenn ich emotional werde, nach tausend Jahren des Gemetzels eines der größten und erfolgreichsten Friedensprojekte der menschlichen Geschichte, das gerade allenthalben für kleinliche Partialinteressen und nationalistische Illusionen achtlos und leichtfertig preisgegeben wird.
Donald, Geert, Viktor, Marine und Beatrix haben schon geklatscht.
Klassiker des Tages
"I think it's a great thing. I think it's a fantastic thing."
(Donald Trump zum Ergebnis des britischen Referendums, 24. Juni 2016)
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